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123 Invest Gruppe: Kommentar

Kann das Bruttoinlandsprodukt ein Wohlstandsindikator sein?

Die deutsche Wirtschaft ist zuletzt geschrumpft. Vor allem die Industrie schwächelt. Es besteht das Risiko, dass die schlechte Stimmung die gesamte Volkswirtschaft erfasst und Deutschland in die Rezession rutscht. Das BIP sinkt um 0,1 Prozent, wie das Statistische Bundesamt zuletzt in einer ersten Schätzung mitteilte. Welche Auswirkungen hat dies auf unseren Wohlstand? Die Definition des Wohlstandes und wie er erreicht werden kann beschäftigt sowohl die Ökonomen als auch die Bürger weltweit. Dabei gilt es jedoch herauszufinden was Wohlstand überhaupt bedeutet und ob er durch Wirtschaftswachstum automatisch erreicht werden kann. Womöglich gibt es auch andere Wege um ihn zu erreichen, doch zunächst müssen diese messbar sein.

Um den Wohlstand zu messen wird häufig das Bruttoinlandsprodukt genutzt. Das Bruttoinlandsprodukt, kurz BIP, war grundsätzlich nicht als eine Messgröße für den Wohlstand vorgesehen gewesen, es sollte lediglich das Gesamteinkommen einer Volkswirtschaft und die gesamten Ausgaben für Güter und Dienstleistungen messen. Um es als Wohlstandsindikator zu betrachten, muss das Wissen vorhanden sein, dass es sich in das nominale und das reale BIP unterscheiden lässt. „Das nominale BIP verwendet die laufenden Preise, um die Produktion an Waren und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft zu bewerten. Das reale BIP verwendet die konstanten Preise der Vorjahrespreisbasis, um die Produktion an Waren und Dienstleistungen einer Volkswirtschaft zu bewerten. Da Preisänderungen nicht in das reale BIP eingehen, spiegeln Änderungen des realen BIP nur Änderungen in den produzierten Mengen wider. Das reale BIP ist daher ein Maßstab für die Produktionsleistung einer Volkswirtschaft.“

Als Wohlstandsindikator kann selbst das reale BIP nur bedingt betrachtet werden

Das reale BIP gibt Aufschluss über die Fähigkeit einer Volkswirtschaft die Bedürfnisse und Wünsche der Bewohner zu erkennen und zu befriedigen. Es orientiert sich an der Annahme eines Homo Oeconomicus, welcher stets rational handelt und seinen persönlichen Nutzen maximiert. Für das BIP bedeutet das, je mehr Einkommen ein Mensch hat, desto mehr Nutzen scheint daraus zu resultieren. Dies muss jedoch nicht zwingend der Fall sein, wie später das Easterlin-Paradoxon klarstellt. Es wird auch häufig vermutet, dass das BIP möglichst groß gemacht wird, ohne auf eine gerechte Verteilung des Einkommens zu achten. Das lässt durch hohe Zahlen einen höheren Wohlstand vermuten, jedoch muss das nicht zwingend der Fall sein. Deshalb lassen sich gespaltene Meinungen in Bezug auf das BIP als Wohlstandsindikator finden. Bereits seit einigen Jahren wird diskutiert ob das Bruttoinlandsprodukt überholungsbedürftig ist, unter anderem weil es wichtige immaterielle Werte nicht aufgreift. Wohlstand kann nicht allein an Vermögen und Einkommen festgemacht werden, sondern hängt von mehreren Faktoren ab. Unbestritten bleibt jedoch, dass ein höheres BIP hilft ein gutes Leben zu führen. Nachdem diese Annahmen diskutiert worden sind, wird das Fazit die wichtigsten Thesen nochmals zusammenfassen und einen Ausblick geben.

Das BIP als Wohlstandsindikator

„Das BIP sagt nichts zur Lebens- und Umweltqualität, Verteilungsfragen, Zivilisationskrankheiten, Unfällen, Verbrechen oder dem Zustand der Natur. Vieles andere mehr, wie Schwarzarbeit oder fundamentale Bewertungsprobleme, haben immer schon zu harscher Kritik an einem BIP-Fetischismus der Ökonomen geführt. Diese wiederum wehrten sich, dass das BIP zwar nicht wirklich gut, aber von allen schlechten Messgrößen immerhin die Beste sei.“

Es gibt gewisse Kritikpunkte, welchen das Bruttoinlandsprodukt ausgesetzt ist. So wird vermutet, dass wichtige Indikatoren für den Wohlstand aus der Berechnung ausgeklammert, und dadurch nicht weiter berücksichtigt, werden. Dies kann daran liegen, dass das BIP nicht geschaffen wurde um das Wohlbefinden zu messen, sondern die Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Dadurch wird Wohlstand anhand von ökonomischen Daten definiert, weshalb andere Faktoren ausgeschlossen bleiben. Ein Beispiel hierfür ist der Wert der Freizeit, welcher als einer der wichtigen Indikatoren für Wohlstand gilt. Würde statt der Freizeit die Produktion weiterlaufen, so würde sich das BIP erhöhen und der Wohlstand vermeidlich steigen, obgleich dies für die Personen selbst nicht der Fall wäre.

Ebenso wird der Wert der Waren und Dienstleistungen, welche in der häuslichen Umgebung erbracht werden, nicht vom Bruttoinlandsprodukt berücksichtigt. Hierfür gibt es einige Beispiele. Etwa die Heirat von Personal und Arbeitgeber, wobei das Personal vor der Ehe bezahlt wurde. Dies kann eine Putzhilfe oder ein Nachhilfelehrer sein, was zählt ist dass die getätigte Arbeit nicht mehr in das BIP miteinfließt, sobald ein Haushalt diese Arbeit selbst leistet. Vor der Hochzeit floss die Bezahlung jedoch in das Bruttoinlandsprodukt mit ein.

Auch die Qualität der Umwelt findet im BIP keine Berücksichtigung

Würden beispielsweise die Umweltschutzauflagen aufgehoben werden, so würde das BIP aufgrund größerer Produktion steigen. Die Verschlechterung der Luft oder des Wassers bliebe dabei unberücksichtigt. So auch bei Umweltzerstörung, welche zu einem Anstieg des BIP führen kann. Ein Beispiel für Umwelt und BIP stellt die Reaktorkatastrophe in Japan dar. Trotz des großen Unglücks der Menschen und der Belastung und Zerstörung der Umwelt steigt das BIP des Landes durch die Reparaturleistungen an. Dies hat jedoch nichts mehr mit dem Wohlstand der Personen die dort leben zu tun. Es lässt sich daraus die Schlussfolgerung ziehen, dass Wirtschaftswachstum nicht automatisch mehr Wohlstand oder Glück bedeuten muss. Dadurch wird die Annahme einer steigenden Lebensqualität durch steigende Leistungsfähigkeit der Wirtschaft nivelliert.

Zu dem Thema Reichtum und Zufriedenheit gibt es das bekannte Easterlin-Paradox, welches das Resultat der jahrzehntelangen Beschäftigung von Richard Easterlin mit diesem Thema repräsentiert. „Dieses besagt, dass zwar in einem Land zu einem bestimmten Zeitpunkt die Zufriedenheit der einzelnen Menschen tendenziell umso grösser ist, je mehr Einkommen sie haben, dass aber ihre durchschnittliche Zufriedenheit längerfristig mit dem Wirtschaftswachstum nicht zunimmt. Mit anderen Worten: die Reichen sind zufriedener als die Armen, aber insgesamt tritt die Gesellschaft trotz Wachstum glücksmässig an Ort und Stelle.“ Easterlins Ergebnisse belegen somit, dass die grundlegenden Bedürfnisse der Menschen gestillt sein müssen um glücklich zu sein, mehr Reichtum dagegen nicht unbedingt glücklicher macht. Durch das Easterlin-Paradox lässt sich aber auch eine Position für das BIP als Wohlstandsindikator argumentieren. So ist etwa in einem Land mit höherem BIP die Wahrscheinlichkeit größer, dass die Grundbedürfnisse der Menschen gestillt sind. Dadurch haben sie einen höheren Wohlstand als Personen eines Landes mit niedrigerem Bruttoinlandsprodukt. In einem solchen Land ist es ebenso wahrscheinlicher eine bessere Ausbildung oder Gesundheitsvorsorge zu erhalten, was den Wohlstand der Menschen ebenso prägt. Durch die vielen Kritikpunkte scheint das BIP als Wohlstandsindikator nur bedingt nützlich zu sein. Deshalb sollte für die Messung des Wohlstandes nicht alleine das Bruttoinlandsprodukt, sondern weitere geeignete Messinstrumente herangezogen werden.

Fazit: „Das BIP misst alles, außer dem, was das Leben lebenswert macht.“

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass das BIP alleine noch keine konkrete Aussage über den Wohlstand tätigt. Ein Wachstum der Wirtschaft schafft zwar Raum für Wohlstand, jedoch müssen weitere Faktoren berücksichtigt werden. „Es ist wichtig im Hinterkopf zu behalten was das BIP beinhaltet und was nicht.“ Wenn der Fokus alleine auf dem BIP liegt kommt keine valide Aussage über den Wohlstand eines Landes und deren Bürger zustande. „Das BIP ist ein guter Maßstab für den ökonomischen Wohlstand, denn die Menschen ziehen höhere Einkommen niedrigeren vor. Es ist jedoch kein perfektes Wohlstandsmaß. So umfasst das BIP beispielsweise weder den Wert der Freizeit noch den Wert einer sauberen Umwelt.“ Das Bruttoinlandsprodukt berücksichtigt bei seiner Berechnung einige Faktoren nicht, welche für den Wohlstand entscheidend sind. Im Gegenteil wird es durch Ereignisse sogar gesteigert, welche nicht zum Wohlstand der Menschen beitragen. Dazu gehören, neben den bereits erläuterten Kriterien auch Straßenschäden, Kriege, Kriminalität und Unfälle. Dies liegt jedoch daran, dass das Bruttoinlandsprodukt nicht ausschließlich für die Messung des Wohlstandes konzipiert wurde.

Obwohl es bisher nicht gelungen ist einen besseren Indikator als das Bruttoinlandsprodukt für die Messung des Wohlstandes zu entwickeln, so kann dieser als einer von mehreren Wohlstandsindikatoren gesehen werden. Für sich allein ist es jedoch problematisch und sollte stets hinterfragt werden. Um einen ganzeinheitlichen Eindruck zu bekommen und die Wohlstandssituation eines Landes aussagekräftig zu ermitteln, müssen zusätzliche Themenfelder, wie Freiheit, Verteilung, Wohnsituation und weitere berücksichtigt werden. Wird das BIP in Korrelation mit anderen Indikatoren gesehen, so kann es aber durchaus als ausschlaggebender Messwert für den Wohlstand gesehen werden.

Herzlichst

Ihre Algopioniere
erstellt von Julia Rosen in Zusammenarbeit mit unserem Team

Hinweis: Vergangene Wertentwicklungen sind kein verlässlicher Indikator für künftige Entwicklungen.

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