123 Invest Gruppe: Insight

Vermeidung von Overfitting in Machine-Learning-Modellen: Strategien zur Steigerung der Zuverlässigkeit von Machine-Learning-Modellen im algorithmischen Handel

Machine Learning (ML) nimmt in vielen Industriesektoren eine immer dominantere Rolle ein, bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung sowie die Verarbeitung immer größerer Datenmengen (Big Data). Insbesondere im Bereich des algorithmischen Handels bietet ML enorme Möglichkeiten zur Verbesserung der Handelsleistung und Effizienz. Eine der subtilsten Herausforderungen, die im Rahmen des Einsatzes von ML-Modellen auftreten, ist jedoch das Overfitting.

Overfitting: Ein verborgenes Risiko

Overfitting ist ein Phänomen, bei dem ein ML-Modell zu gut an die Trainingsdaten angepasst ist, sodass es sogar das „Rauschen“ in diesen Daten lernt, statt sich nur auf die zugrundeliegenden Muster zu konzentrieren. Unter diesem statistischen Rauschen versteht man eine zufällige, durch statistische Modelle nicht erklärbare Auf- oder Abwärtsbewegung eines Werts im Rahmen von Zeitreihenanalysen, welche die Grundlage der meisten Analysen von Finanzmarktdaten darstellt. Dies führt dazu, dass das Modell bei der Anwendung auf neue, bisher unbekannte Daten ungenau wird und eine schwächere Prognosegenauigkeit hat. In der Welt des algorithmischen Handels können solche Ungenauigkeiten zu einer Vielzahl von Problemen führen, einschließlich falscher Prognosen und suboptimaler Handelsentscheidungen.

Strategien zur Minimierung des Overfitting-Risikos

Obwohl Overfitting eine potenzielle Herausforderung darstellt, gibt es eine Reihe von bewährten Strategien, die zur Minderung dieses Risikos angewendet werden können:

Datenaufteilung

Eine der ersten Strategien gegen Overfitting ist die sorgfältige Aufteilung der verfügbaren Daten in Trainings- und Testsets. Dieser Prozess der Datenaufteilung ist ein entscheidender Schritt in der Entwicklung von ML-Modellen und kann maßgeblich dazu beitragen, Overfitting zu verhindern.

In der Regel teilt man die Gesamtdatenmenge in zwei Teile: Ein Teil der Daten wird für das Training des Modells genutzt und ein Teil für dessen Validierung. Das Trainingsset wird verwendet, um das Modell „zu schulen“, während das Testset genutzt wird, um die Leistung und Genauigkeit des Modells auf Daten zu überprüfen, die es noch nie gesehen hat. Eine häufige Aufteilung der Datenmenge besteht darin, 80% der Daten für das Training und 20% für das Testen zu verwenden, wobei diese Aufteilung je nach Datenmenge und -art angepasst werden kann.

Der Grund für diese Aufteilung liegt in der Notwendigkeit, die Leistung des Modells auf unbekannten Daten zu überprüfen. Wenn ein Modell nur mit den Trainingsdaten getestet wird, besteht das Risiko, dass es lediglich die Muster dieser spezifischen Daten lernt und nicht in der Lage ist, angemessen auf neue, unbekannte Daten zu reagieren. Durch die Nutzung eines getrennten Testsets kann das Modell auf seine Fähigkeit hin überprüft werden, Vorhersagen für Daten zu treffen, die es während seiner Trainingsphase nicht gesehen hat.

Kontrolle der Modellkomplexität

Die Kontrolle der Modellkomplexität spielt eine entscheidende Rolle bei der Vermeidung von Overfitting. Ein Modell, das zu viele Freiheitsgrade oder Parameter hat, ist anfälliger für Overfitting, da es möglicherweise das „Rauschen“ oder zufällige Schwankungen in den Trainingsdaten lernt. In anderen Worten: ein übermäßig komplexes Modell neigt dazu, sehr spezifisch auf die Trainingsdaten zu reagieren und verliert dabei die Fähigkeit, allgemeingültige Muster zu identifizieren, die für neue, unbekannte Daten relevant sind.

Eine der Methoden zur Kontrolle der Modellkomplexität ist die sogenannte Regularisierung. Die Regularisierung ist ein Verfahren, bei dem „Strafen“ vergeben werden, wenn ein Modell zu kompliziert wird. Beispiele dafür sind die L1- und L2-Regularisierung. Stellen Sie sich diese Regularisierung vor wie eine Art „Bremse“, die verhindert, dass das Modell zu komplex wird. Im Grunde genommen sorgt die Regularisierung dafür, dass das Modell „einfacher“ bleibt, indem sie dafür sorgt, dass die Werte der Parameter (auch Modellkoeffizienten genannt), die das Modell nutzt, nicht zu groß werden. Große Parameterwerte könnten nämlich darauf hinweisen, dass das Modell versucht, sehr spezifische oder komplexe Muster in den Trainingsdaten zu erfassen, die möglicherweise nicht auf neue Daten anwendbar sind. Durch das „Bestrafen“ solcher Parameter sorgt die Regularisierung also dafür, dass sich das Modell eher auf allgemeinere Muster in den Daten fokussiert, als spezifische Sonder- und Extremfälle in den Daten zu erklären. Dies führt in der Regel zu besseren Vorhersagen bei neuen Daten.

Eine weitere Technik ist das Beschneiden von Entscheidungsbäumen. Bei dieser Methode wird ein Entscheidungsbaum zunächst vollständig aufgebaut und anschließend reduziert, indem „Blätter“ entfernt werden, die nur wenig zur Vorhersagegenauigkeit beitragen. Diese Technik hilft, ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen der Komplexität des Baumes (und somit seiner Flexibilität in Bezug auf die Trainingsdaten) und seiner Generalisierungsfähigkeit zu erreichen.

In der Praxis ist es auch wichtig, den Prozess der Modellselektion sorgfältig zu handhaben. Während komplexere Modelle dazu in der Lage sind, komplexe Muster in den Daten zu erfassen, kann ihre erhöhte Flexibilität auch dazu führen, dass sie eher überangepasst werden. Einfachere Modelle können hingegen weniger anfällig für Overfitting sein, aber möglicherweise wichtige Muster in den Daten übersehen. Deshalb ist es entscheidend, das richtige Maß an Komplexität für das jeweilige Modell zu finden, um eine optimale Balance zwischen Anpassung und Generalisierung zu erreichen.

Kontinuierliche Überwachung

Die dritte wesentliche Strategie zur Bekämpfung von Overfitting ist die kontinuierliche Überwachung des Modells während und nach dem Trainingsprozess. Dieser ständige Überwachungsprozess hilft dabei, Anzeichen von Overfitting frühzeitig zu erkennen und entsprechende Korrekturmaßnahmen zu ergreifen.

Die kontinuierliche Überwachung beinhaltet in der Regel die wiederholte Bewertung der Modellleistung anhand der Testdaten während der Modellentwicklung. Indem wir die Prognosefähigkeit auf den Testdaten regelmäßig überprüfen, können wir erkennen, ob das Modell beginnt, zu sehr auf die Trainingsdaten zu „overfitten“, d. h. wenn seine Leistung auf den Testdaten im Vergleich zu den Trainingsdaten signifikant abfällt.

Ein wichtiger Aspekt der kontinuierlichen Überwachung ist auch die Überwachung der Modellleistung im Laufe der Zeit, nachdem das Modell in Produktion genommen wurde. Diese Art der Überwachung kann als „Model Monitoring“ bezeichnet werden und ist entscheidend, um sicherzustellen, dass das Modell weiterhin zuverlässige Vorhersagen liefert, da sich die Daten und die zugrundeliegenden Muster, die das Modell erlernt hat, mit der Zeit ändern können.

Ein häufig verwendetes Werkzeug für die kontinuierliche Überwachung ist die Kreuzvalidierung. Bei der Kreuzvalidierung wird das Datenset in verschiedene Teilmengen oder „Folds“ aufgeteilt und das Modell wird auf diesen verschiedenen Folds trainiert und getestet. Diese Methode liefert eine robustere Bewertung der Modellleistung, da sie es ermöglicht, das Modell auf mehreren verschiedenen Datensets zu testen. Die Kreuzvalidierung hilft dabei, sicherzustellen, dass das Modell verschiedene Arten von Daten gut generalisieren kann und nicht nur auf spezifische Muster in einem bestimmten Datensatz beschränkt ist.

Fazit

Die Bekämpfung von Overfitting ist ein zentraler Aspekt bei der Entwicklung und Implementierung von Machine Learning-Modellen, besonders in einem so dynamischen und datenintensiven Bereich wie dem algorithmischen Handel. In diesem Blogartikel haben wir einen dreistufigen Ansatz beschrieben, der dabei helfen kann, dass die Modelle in der Lage sind, genaue und zuverlässige Prognosen zu liefern und effektiv auf neue Marktbedingungen zu reagieren.

Erstens sorgt eine sorgfältige Datenaufteilung dafür, dass die Modelle auf unbekannte Daten getestet werden. Dies hilft, Overfitting zu vermeiden, indem es sicherstellt, dass die Modelle nicht nur die spezifischen Muster der Trainingsdaten lernen, sondern auch effektiv aus neuen Daten generalisierte Erkenntnisse ableiten können.

Zweitens wird durch die Kontrolle der Modellkomplexität mittels Techniken wie Regularisierung und dem Beschneiden von Entscheidungsbäumen dafür gesorgt, dass die Modelle die richtige Balance zwischen Anpassung an die Daten und Generalisierungsfähigkeit finden. Dies hilft, Overfitting zu vermeiden, indem es verhindert, dass die Modelle zu spezifische oder „zufällige“ Muster in den Trainingsdaten lernen, die möglicherweise nicht auf neue Daten übertragbar sind.

Schließlich, durch kontinuierliche Überwachung, sowohl während der Modellentwicklung als auch nachdem das Modell in Produktion gegangen ist, können Anzeichen von Overfitting frühzeitig erkannt und entsprechend reagiert werden. Dieser ständige Überwachungsprozess hilft sicherzustellen, dass die Modelle über die Zeit hinweg konsistent hohe Leistungen erbringen und dass sie sich an verändernde Marktbedingungen anpassen können.

Overfitting ist eine ernsthafte Herausforderung im Machine Learning, aber durch die Anwendung dieser Strategien können robuste, zuverlässige und effektive algorithmische Handelssysteme entwickelt werden.

Wir hoffen, dass dieser Artikel Ihnen ein tieferes Verständnis dafür vermittelt hat, wie Overfitting vermieden werden kann, um robuste und effektive Trading-Algorithmen zu entwickeln.

Herzlichst

Ihre Algopioniere
erstellt von Julia Rosen in Zusammenarbeit mit dem gesamten Team

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